Komposita


Im Deutschen lassen sich wunderschöne und oft sehr lange Komposita bilden. Der Oberweserdampfschifffahrtsgesellschaftskapitän ist so ein beliebtes Beispiel. Warum es aber oft gar nicht so einfach ist, diese Komposita, also zusammengesetzte Wörter, korrekt zu verwenden, verrate ich euch in meinem ersten Blogbeitrag.

Der elfköpfige Mannschaftstrainer oder das Wahlrecht zwischen A und B

Jedes Kompositum hat ein sogenanntes Grundwort; es ist der letzte Bestandteil in der Zusammensetzung. Wichtig ist das Grundwort deshalb, weil es verantwortlich ist für Numerus und Genus des Kompositums. Der Kindergarten ist Singular, auch wenn das Erstglied – Kinder – im Plural steht, und es ist ein Maskulinum, kein Neutrum wie Kind.

Außerdem ist das Grundwort entscheidend für den Bezug innerhalb des Satzes.

Zum einen definiert ein vorangestelltes Adjektiv das Grundwort. Beim elfköpfigen Mannschaftstrainer hätten wir es also mit einem Menschen zu tun, der elf Köpfe hat, nicht mit einer eben solchen Mannschaft. Richtig wäre: Trainer der elfköpfigen Mannschaft. In diesem Fall ist das recht eindeutig, es gibt aber auch Formulierungen, bei denen dieser falsche Bezug nicht sofort ins Auge sticht. Die rote Linsensuppe oder die erneuerbare Energieproblematik (Achtung: falsche Schreibweisen) sind andere, vielleicht weniger eindeutige Beispiele. Richtig wären hier: Rote-Linsen-Suppe (oder Rotelinsensuppe) und Erneuerbare-Energie-Problematik (oder Erneuerbareenergieproblematik). Nur so, indem die Adjektive in das Kompositum eingebunden werden, beziehen sie sich auf das folgende Substantiv, nicht auf das Grundwort. Übrigens: Bei der Schreibweise mit Bindestrich muss zwischen allen Bestandteilen ein solcher gesetzt werden. Falsch wären ebenso Rote-Linsensuppe und Rotelinsen-Suppe bzw. Erneuerbareenergie-Problematik und Erneuerbare-Energieproblematik.

Zum anderen bezieht sich eine auf das Kompositum folgende Präposition auf das Grundwort. Hier kommt es sehr häufig zu falschen Anschlüssen. Mit Wahlrecht zwischen A und B soll eigentlich das Recht auf die Wahl zwischen A und B beschrieben werden – zwischen muss sich also auf Wahl beziehen, nicht auf Recht. Um das zu erreichen, muss umformuliert werden. Entweder wie oben (Recht auf die Wahl zwischen A und B) oder (schöner) so: Recht, zwischen A und B zu wählen.

Von solchen falschen Formulierungen gibt es viele:

  • falsch: Vermeidungsmöglichkeit von XY (richtig: Möglichkeit, XY zu vermeiden; Möglichkeit zur Vermeidung von XY)
  • falsch: Informationspflicht über den Stand der Dinge (richtig: Pflicht, über den Stand der Dinge zu informieren; Pflicht zur Information über den Stand der Dinge)
  • falsch: Investitionsmöglichkeit in etwas (richtig: Möglichkeit, in etwas zu investieren; Möglichkeit zur Investition in etwas)

Zugegeben, einige dieser Formulierungen erscheinen uns so gängig, dass sie kaum noch auffallen. Manche sind gar derart etabliert, dass sie als korrekt angesehen werden können. Doch wenn ich im Zug sitze und „die Maskentragepflicht von FFP2-Masken“ oder „die Anschlussmöglichkeiten an den Nah- und Fernverkehr“ über den Lautsprecher verkündet werden, dann muss ich jedes Mal schmunzeln.

Quellen:

Duden – Sprachliche Zweifelsfälle, 9. Auflage, 2021.